In diesem Artikel:
Wie kognitive Verzerrungen Entscheidungen beeinflussen
Wie funktioniert der Confirmation Bias?
Warum ist der Confirmation Bias im Familienrecht besonders problematisch?
Der Confirmation Bias bei den verschiedenen Akteuren im Familienrecht
Auswege aus dem Confirmation Bias – Strategien für objektiveres Denken
Confirmation Bias im Familienrecht
Wie kognitive Verzerrungen Entscheidungen beeinflussen
Viele Beteiligte in einer familienrechtlichen Auseinandersetzung kennen das. Man sitzt bei Gericht und der/die Richter/in macht eine Aussage die im ersten nicht nachvollziehbar ist. Gutachter, Jugendamt und/oder Verfahrensbeistand bewerten einen Fakt und man ist völlig irrigiert, hat man die Dinge doch ganz anders wahrgenommen.
Was ist gerade passiert? Eine mögliche Erklärung dafür könnte der sog. Bestätigungsfehler sein (Confirmation Bias) sein. Doch was ist das? Das und einiges mehr lesen in diesem Artikel.
Der Confirmation Bias (Bestätigungsfehler) ist eine der häufigsten und am stärksten wirkenden kognitiven Verzerrungen. Er beschreibt die menschliche Tendenz, Informationen so zu suchen, interpretieren und erinnern, dass sie die eigenen vorgefassten Meinungen bestätigen.
Der Mensch neigt dazu, Informationen so zu suchen, dass er Bestätigung erfährt.
Diese Verzerrung kann zu Fehleinschätzungen führen, da die objektive Bewertung von Informationen durch die eigene Voreingenommenheit beeinflusst wird. Besonders problematisch ist der Confirmation Bias in Bereichen, in denen Entscheidungen auf subjektiven Einschätzungen basieren – etwa im Familienrecht
Die nachfolgende Grafik soll diesen Effekt verdeutlichen.
In diesem Artikel:
Kindeswohl & Kindeswohlgefährdung
Das steckt dahinter
Warum der "unbestimmte Rechtsgegriff" notwendig ist und es dennoch Juristische und psychologische Definitionen gibt. Beide Erklärungen in diesem Artikel anschaulich erklärt
Das Jugendamt
Ein Reizwort für viele
Viele Eltern kennen das. Gerade Eltern die sich einem familienrechtlichen Verfahren befinden. Das Jugendamt. In fast allen Fällen gesetzlich am Verfahren in irgendeiner Art beteiligt.
Der Confirmation Bias tritt in drei zentralen Prozessen auf:
a) Selektive Informationssuche
Menschen suchen bevorzugt nach Informationen, die ihre bestehende Meinung unterstützen, und vermeiden Informationen, die diese infrage stellen könnten.
Beispiel:
b) Verzerrte Interpretation von Informationen
Selbst wenn Menschen mit neutralen oder widersprüchlichen Fakten konfrontiert werden, neigen sie dazu, diese so zu interpretieren, dass sie die eigene Sichtweise stützen.
Beispiel:
c) Verzerrte Erinnerung („Confirmation Memory Bias“)
Menschen erinnern sich selektiv an Informationen, die ihre Überzeugungen unterstützen, während sie widersprüchliche Fakten vergessen oder abschwächen.
Beispiel:
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2. Warum tritt der Confirmation Bias auf?
Der Confirmation Bias ist kein bewusster Fehler, was ihn "besonders gefährlich" macht, sondern ein automatischer psychologischer Mechanismus, der aus mehreren Gründen auftritt:
a) Kognitive Effizienz
Das Gehirn verarbeitet Informationen schneller, wenn sie zu bestehenden Überzeugungen passen. Widersprüchliche Informationen erfordern dagegen mehr kognitive Energie.
b) Emotionale Selbstschutzfunktion
Neue Informationen, die bestehende Überzeugungen infrage stellen, können kognitive Dissonanz (inneren Widerspruch) erzeugen. Der Confirmation Bias hilft, diese unangenehme Spannung zu vermeiden.
c) Soziale Bestätigung
Menschen umgeben sich oft mit Gleichgesinnten (z. B. in Facebook-Gruppen oder politischen Bewegungen), die ihre Überzeugungen bestätigen. Dadurch wird der Confirmation Bias verstärkt.
d) Evolutionärer Vorteil
Frühere Menschen mussten in gefährlichen Umgebungen schnell Entscheidungen treffen. Der Confirmation Bias half dabei, sich auf bewährte Muster zu verlassen, anstatt ständig alles zu hinterfragen.
Warum ist der Confirmation Bias im Familienrecht besonders problematisch?
Das Familienrecht befasst sich mit hochsensiblen Fragen wie Sorgerecht, Umgangsrecht, Kindeswohl und häuslicher Gewalt. Da Emotionen oft eine große Rolle spielen und es selten eindeutige Beweise gibt, müssen Entscheidungsträger viele subjektive Einschätzungen treffen.
Gerade familienrechtliche Verfahren sind häufig Vefahren mit hoher emotionaler Beteiligug und emotional aufgeladen. Dieser Umstand kann, gerade bei Eltern, die Objektiviät beeinflussen. Nicht selten neigen Richter, Gutachter und Sozialarbeiter aufgrund der Vielzahl der Fälle, und damit verbunden wenig Zeit für den Einzelfall, dazu sich in führen Verfahrensstadien eine Meinung zu bilden. Gerade im Familienrecht gibt es selten "harte Fakten", sondern widersprüchliche Aussagen die unterschiedlich interpretiert werden können. Die frühe Meinungsbildung kann dann dazu führen das Tatsachen und/oder Gegebenheiten so interpetiert werden, dass sie die eigene Meinung bestätigen und ggf. festigen.
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Der Confirmation Bias bei den verschiedenen Akteuren im Familienrecht:
Richter bilden sich oft eine erste Einschätzung über einen Fall anhand der Aktenlage oder der ersten Anhörung und danach neigen sie dazu, neue Informationen so zu bewerten, dass sie die ursprüngliche Einschätzung bestätigen. Gegenbeweise werden oft als weniger glaubwürdig oder irrelevant eingestuft.
Beispiel:
Ein Richter hat den Eindruck, dass ein Elternteil emotional instabil ist. Selbst wenn spätere psychologische Gutachten keine Hinweise auf eine psychische Erkrankung liefern, könnte der Richter weiterhin Anzeichen für Instabilität in belanglosen Verhaltensweisen des Elternteils sehen.
Wie kann man den Bias minimieren?
Oft entwickeln Gutachter früh eine Hypothese (z. B. „der Vater ist emotional instabil“ oder „die Mutter entfremdet das Kind“) und sammelt selektiv Beweise dafür, daraus kann sich ergeben, dass widersprüchliche Tatsachen als weniger relevant eingestuft werden. Es kann vorkommen dass der Bias dadurch verstärkt wird dass sich Gutachter mit einem bestimmten Modell identifizieren (z. B. Parental Alienation Syndrome oder Bindungstheorien).
Beispiel:
Ein Gutachter geht davon aus, dass ein Elternteil das Kind manipuliert. Aussagen des Kindes, die das bestätigen, werden hervorgehoben, während gegenteilige Aussagen als „beeinflusst“ interpretiert werden.
Wie kann man den Bias minimieren?
Gerade Anwälte suchen gezielt Beweise, die die Position ihres Mandanten stützen, und ignorieren oder minimieren entlastende Beweise. Dadurch können sie sich unbewusst eine verzerrte Sichtweise aneignen, die nicht immer im besten Interesse des Mandanten ist.
Beispiel:
Ein Anwalt, der glaubt, dass das Jugendamt voreingenommen gegen Väter ist, wird verstärkt Fälle sammeln und präsentieren, die genau das belegen – und gegenteilige Fälle ignorieren.
Wie kann man den Bias minimieren?
Ein einmal gefasster Eindruck über eine Familie beeinflusst die gesamte Fallbearbeitung.
Frühere Akteneinträge können unkritisch übernommen werden, sodass sich ein negatives Bild über Jahre hinweg verfestigt. Eltern, die sich "kooperativ" zeigen, werden oft positiver bewertet als Eltern, die sich kritisch äußern – selbst wenn beide gute Eltern sind.
Beispiel:
Eine Mutter wird als "problematisch" eingestuft, weil sie in einer früheren Akte als "konflikthaft" beschrieben wurde. Selbst wenn sich ihre Situation verbessert hat, bleibt der negative Eindruck bestehen.
Wie kann man den Bias minimieren?
Ganz speziell Eltern sind anfällig für den Confirmation Bias – besonders in hochkonflikthaften Sorgerechtsverfahren. Das ist jedoch - basierend auf den Prinzipien der Konfliktdynamik nicht außergewöhnlich sondern eher der Regelfall.
Daher ist eine frühzeitige Aufklärung über diese Dynamiken wichtig und wertvoll, auch wenn sich der Bias damit nicht gänzlich vermeiden lässt, so sorgt er bei der Beratung für mehr Offenheit für den essenziell wichtigen Perspektivwechsel.
Typischer Weise sucht jeder Elternteil verstärkt Beweise dafür, dass der andere Elternteil „ungeeignet“ ist. Widersprüchliche Informationen (z. B. positives Verhalten des Ex-Partners) werden ignoriert, und nicht selten werden Kinder in diese Verzerrungen mit einbezogen was im mildesten Fall Eltern-Kind-Entfremdung, und in seiner schlimmsten Ausprägung das Parantel Alieniention Syndrome fördert.
Wie kann man den Bias minimieren?
Mediation nutzen, um eine objektivere Perspektive zu fördern.
Den eigenen Standpunkt kritisch hinterfragen: „Gibt es Momente, in denen mein Ex-Partner ein guter Elternteil ist?“
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Das Jugendamt Ein Reizwort für viele
Viele Eltern kennen das. Gerade Eltern die sich einem familienrechtlichen Verfahren befinden. Das Jugendamt. In fast allen Fällen gesetzlich am Verfahren in irgendeiner Art beteiligt.
Ein Zwischenfazit:
Der Confirmation Bias ist eine tief verwurzelte kognitive Verzerrung, die menschliches Denken systematisch beeinflusst. Besonders in komplexen Entscheidungsprozessen – wie im Familienrecht – kann er zu schwerwiegenden Fehlurteilen führen, wenn Richter, Gutachter oder Sozialarbeiter Informationen selektiv wahrnehmen und interpretieren.
Durch kritisches Denken, bewusste Reflexion und standardisierte Prüfmechanismen kann der Confirmation Bias verringert werden. Dies erfordert jedoch ein aktives Bemühen, alternative Perspektiven zu berücksichtigen und eigene Annahmen regelmäßig zu hinterfragen.
Auswege aus dem Confirmation Bias – Strategien für objektiveres Denken
Da der Confirmation Bias tief in unserer Psyche verankert ist und beeinflusst, wie wir Informationen aufnehmen, interpretieren und erinnern und er meist unbewusst wirkt, ist es nicht einfach, sich ihm zu entziehen. Dennoch gibt es wirksame Strategien, um seine Auswirkungen zu minimieren und zu einer offeneren, objektiveren Denkweise zu gelangen.
1. Selbstreflexion und Bewusstmachung der eigenen Verzerrungen
Der erste und wichtigste Schritt, um dem Confirmation Bias zu entkommen, ist die Erkenntnis, dass man ihm unterliegt. Wir neigen oft dazu, uns für rational und objektiv zu halten, während wir tatsächlich unbewusst selektiv denken. Deshalb ist es hilfreich, sich regelmäßig selbst zu fragen:
Eine bewährte Methode ist das Führen eines „Denk-Tagebuchs“, in dem man eigene Annahmen und Überzeugungen notiert und später überprüft, ob sie sich als zutreffend erwiesen haben.
2. Aktives Suchen nach Gegenargumenten und alternativen Sichtweisen
Menschen neigen dazu, Informationen zu vermeiden, die ihren Überzeugungen widersprechen. Ein wirksamer Gegenmechanismus ist es daher, gezielt alternative Meinungen zu suchen.
In Entscheidungsprozessen, etwa im Familienrecht, sollten Richter und Gutachter bewusst nach Informationen suchen, die ihrer ersten Einschätzung widersprechen könnten, statt nur nach Bestätigung für ihre Hypothesen zu suchen.
3. Externe Überprüfung und kritisches Feedback einholen
Da der Confirmation Bias oft unbewusst wirkt, kann eine externe Perspektive helfen, ihn zu durchbrechen. In Wissenschaft und Rechtssystem sind Peer-Reviews und Supervision etablierte Methoden, um Verzerrungen zu reduzieren.
4. Standardisierte Verfahren und objektive Kriterien nutzen
Da subjektive Einschätzungen stark vom Confirmation Bias beeinflusst werden, ist es sinnvoll, Entscheidungen anhand von klar definierten, objektiven Kriterien zu treffen.
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Ich habe Antworten!
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Elternbleiben NRW
Ingo Schniertshauer, Gründer der Initiative, Beratungs- und Ombudsstelle in Aachen
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bei Problemen in der Familie, gerade dann wenn zu gerichtlichen Konflikten kommt wird die Situation für Eltern und Kinder oft sehr belastend.
Oft fühlen sich alle in der Familie allein gelassen.
Unterstützung in allen Bereichen hilft Eltern und damit ganz besonders den Kindern die schwierige Zeit zu meistern.
Umgangsberatung Ansbach vernetzt sich und arbeitet mit unterschiedlichen Partnern gemeinsam für Sie und steht mit seinen Partnern für das Lachen der Kinder.
Elternbleiben
NRW
Ingo Schniertshauer, Gründer der Initiative, Beratungs- und Ombudsstelle in Aachen
Kursleitung/Anbieter:
„Starke Eltern – Starke Kinder®“ des DSKB e.V.
Kess-erziehen.de (iA. 2023 für das Bistum Aachen)
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erziehend
Guido R. Lieder & andere:
Das Netzwerk Getrennterziehend ist eine Initiative von überregionalen und regionalen Vereinen bzw. Verbänden, Initiativen und weiteren Netzwerken sowie Einzelpersonen rund um die gesellschaftlich sehr große Gruppe von Trennungsfamilien und rund um die Themen von Getrennterziehung, d.h. eine Interessenvertretung für alle Themen rund um Trennung und Scheidung.
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5. Bewusst mit Unsicherheit umgehen und Ambiguität aushalten
Viele Menschen streben nach schnellen, eindeutigen Antworten, weil Unsicherheit unangenehm ist. Der Confirmation Bias verstärkt dieses Bedürfnis, indem er uns in der Illusion bestärkt, dass unsere Sichtweise die einzig richtige ist. Ein wichtiger Ausweg besteht darin, sich aktiv mit Unsicherheit anzufreunden:
Nicht immer muss eine Meinung sofort feststehen. Es ist erlaubt, sich eine Zeit lang unsicher zu sein.
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6. Fortlaufende Schulung und kritisches Denken fördern
Da der Confirmation Bias ein tief verankerter Mechanismus ist, kann er nur durch kontinuierliches Training abgeschwächt werden. Besonders in Berufen, in denen objektive Entscheidungen essenziell sind – wie im Familienrecht, der Wissenschaft oder der Medizin – sollten regelmäßige Schulungen zum kritischen Denken und zur Verzerrungsvermeidung stattfinden.
Der Confirmation Bias ist ein universelles Phänomen, das unser Denken auf subtile Weise beeinflusst. Doch mit gezielter Selbstreflexion, dem bewussten Suchen nach alternativen Perspektiven und der Nutzung externer Kontrollmechanismen lässt sich seine Wirkung minimieren. Wer sich aktiv darauf einlässt, kann nicht nur bessere Entscheidungen treffen, sondern auch offener für neue Erkenntnisse und konstruktivere Diskussionen sein.
Kurz gesagt: Der beste Weg, den Confirmation Bias zu überwinden, ist die Bereitschaft, die eigene Meinung regelmäßig kritisch zu hinterfragen – auch (und gerade) dann, wenn es unangenehm ist.